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Regeln für die Auslobung von Wettbewerben - Anlage 03: VOF-Leitfaden "Bremer Modell" zur Berücksichtigung von kleineren Büroorganisationen und Berufsanfängern (§ 4, Abs. 5 VOF) bei VOF-Verfahren

Außer Kraft

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juris-Abkürzung:
Dokumenttyp:
Dokumenttyp: Wappen Bremen
Gliederungs-Nr::
Normgeber:Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr
Erlassdatum:13.12.2007
Fassung vom:13.12.2007
Gültig ab:14.12.2007
Gültig bis:31.12.2012  Schriftgrafik ausserkraft
Quelle:Wappen Bremen
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Regeln für die Auslobung von Wettbewerben - Anlage 03: VOF-Leitfaden "Bremer Modell" zur Berücksichtigung von kleineren Büroorganisationen und Berufsanfängern (§ 4, Abs. 5 VOF) bei VOF-Verfahren

Anlage 3

VOF-Leitfaden „Bremer Modell“ zur Berücksichtigung von kleineren Büroorganisationen und Berufsanfängern (§ 4, Abs. 5 VOF) bei VOF-Verfahren

Stand 09.04

1 Vorbemerkungen

1.1 Der Arbeitskreis VOF

Im Rahmen der Bauherrn-/Architektengespräche ist vereinbart worden, dass seitens der Architekten- und Ingenieurkammer Bremen Hinweise für einen praktikablen Umgang mit den Regelungen der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) vorgelegt werden.

1Die Ausarbeitung entsprechender Anwendungshinweise erfolgt durch den Arbeitskreis (AK) VOF, der gemeinsam von der Architekten- und Ingenieurkammer Bremen eingerichtet wurde. 2Dieser AK VOF steht darüber hinaus den öffentlichen Auftraggebern in Bremen und Bremerhaven als Ansprechpartner für die Durchführung von Vergabeverfahren für freiberufliche Leistungen zur Verfügung.

1.2 Struktur des Leitfadens

Bekanntlich gliedert sich das Vergabeverfahren nach der VOF in zwei Hauptschritte: Die Reduzierung aller auf eine Vergabebekanntmachung eingegangenen Teilnahmeanträge auf einen Kreis von Bewerbern, die zur Verhandlung (Angebotsabgabe) aufgefordert werden (Phase Bewerberauswahl), sowie die eigentliche Angebotsaufforderung und Angebotsverhandlung der verbliebenen Bewerber (Phase Vergabeentscheidung).

1Im vorliegenden Leitfaden werden zunächst allgemeine, praktikable Handhabungsvorschläge für die Bewerberauswahl (Kap. 2.1) und die Vergabeentscheidung (Kap. 2.2) im Rahmen eines VOF-Verfahrens gegeben. 2In Kapitel 3 wird der Inhalt und die Bedeutung des § 4 Abs. 5 VOF dargestellt, der die Behandlung von kleineren Büroorganisationen und Berufsanfängern im Rahmen von Vergabeverfahren nach der VOF regelt. 3Abschließend wird auf die im Zusammenhang mit dem hier vorgestelltem Leitfaden unerlässlichen Dokumentationspflichten hingewiesen.

Der vorliegende Leitfaden wurde zusammen mit Herrn Rechtsanwalt Müller-Wrede, Berlin, Herausgeber des gleichnamigen VOF-Kommentares, erstellt.

2 Allgemeine Handlungsvorschläge zur VOF

1Die zur Auftragserteilung führende Zuschlagswertung und das Verfahren über die Auswahl von geeigneten Bewerbern für die Verhandlung sind eigenständige Abschnitte im Vergabeverfahren nach der VOF und haben unterschiedliche Zwecke. 2Die Bewerberauswahl ist eine Unternehmens- und personenbezogene Entscheidung zur Aussonderung ungeeigneter Unternehmen. 3Die Vergabeentscheidung betrifft den Gegenstand des Auftrages selbst. 4Letztere ist weitgehend eine auftragsbezogene Prognoseentscheidung, bei welcher der Vergabestelle ein grundsätzlich weiter Beurteilungsspielraum zusteht. 5Grenze des Beurteilungsspielraumes sind die Grundsätze des Vergabeverfahrens: Das Diskriminierungsverbot, der Wettbewerbsgrundsatz und das Transparenzgebot.

2.1 Phase Bewerberauswahl

Im Rahmen der VOF sind Aufträge einzig an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige (= geeignete) Bewerber zu vergeben (§ 4 Abs. 1 VOF).

1Der konkrete Inhalt der Eignung ergibt sich immer nur im Zusammenhang mit dem speziellen Vergabeverfahren. 2Vom Auftraggeber wird im Rahmen der Eignungsprüfung eine wertende Prognose über das zukünftige Verhalten des Auftragnehmers verlangt (vgl. § 10 VOF). 3Dabei hat der Auftraggeber einen weiten Beurteilungsspielraum, der von den Nachprüfungsinstanzen nur dahingehend überprüft werden kann, ob die Verfahrensregeln eingehalten worden sind, ein zutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt wurde und sachfremde Erwägungen nicht angestellt worden sind. 4Weitere zu beachtende Vergabegrundsätze sind das Wettbewerbsprinzip, das Diskriminierungsverbot und das Transparenzprinzip.

1Ziel der Bewerberauswahl (Eignungsprüfung) muss damit eine individuell an den Schwierigkeitsgrad und Größe der Planungsaufgabe orientierte Bewertung der Nachweise der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 12 VOF) und der fachlichen Eignung (§ 13 VOF) sein. 2Als methodischer Ansatz hat sich hierfür das Verfahren der Nutzwertanalyse (NWA) als systematische Entscheidungsvorbereitung bewehrt.

1Bei der NWA werden Einzelkriterien zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bzw. der fachlichen Eignung zueinander gewichtet und entsprechend den Angaben der Bewerber bewertet (benotet). 2Hierbei ist auftragsbezogen festzulegen, wie die einzelnen Kriterien der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach § 12 VOF bzw. die Kriterien der fachlichen Eignung nach § 13 VOF gewichtet und bewertet werden. 3§ 4 Abs. 5 VOF verbietet dabei eine Gestaltung des Bewertungsrahmens, der kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger von vornherein benachteiligt. 4Folgend werden einige beispielhafte Hinweise für die Bewertung von Eignungskriterien gegeben:

a)
Höchstbewertung der Mitarbeiterzahl in Relation zur Aufgabenstellung (bei einem zu erwartenden Auftragswert von 200.000,00 € kann bereits ein Büro mit 10 Mitarbeitern die Höchstbewertung erhalten);
b)
Höchstbewertung für Umsätze und Referenzen in Abhängigkeit von der Größe des Planungsobjektes (beispielsweise könnte bei einem Auftragswert von 200.000,00 € ein Honorarumsatz des Büros von 1 Mio. €/a bereits zur Höchstbewertung führen)
c)
Heranziehung von Referenzen aus vergleichbaren Aufgabenstellungen
d)
Hervorhebung von Projektleiterreferenzen im Vergleich zu Büroreferenzen
e)
Würdigung der Nachweise zur Personalkontinuität
f)
Bewertung der Relation der Führungskräfte (z.B. Freischaffenden Architekten/Beratende Ingenieure) zu den Gesamtbeschäftigten (zur Bewertung der persönlichen (freiberuflichen) Leistungserbringung durch die Inhaber/Geschäftsführer)
g)
Bewertung der Technischen Ausstattung ebenfalls in Abhängigkeit von der Aufgabenstellung

1Die von vielen Projektsteuerungsgesellschaften für diesen Verfahrensschritt verwendeten Formblätter berücksichtigen vorgenannte Bewertungsspielräume in der Regel leider nur unzureichend, da sie häufig unspezifiziert (und unverändert) für unterschiedlichste Aufgabenstellungen eingesetzt werden. 2Ohne eine differenzierte Bewertung ist es dann für kleinere Büroeinheiten häufig nicht möglich, sich für „einfache“ Planungsleistungen zu präqualifizieren (es wird unterstellt, dass Büros mit 100 Mitarbeitern und 10 Mio. € Honorarumsatz eine bessere Planungsleistung erbringen als Büros mit 10 Mitarbeitern oder 1 Mio. € Honorarumsatz. 3Dieses kann kleinere Büroorganisationen im Einzelfall sogar diskriminieren).

1Nachweise über die Kenntnisse der örtlichen Genehmigungssituation und der regionalen Baugrundverhältnisse stellen regelweise eine mit dem Vergaberecht nicht vereinbare Diskriminierung wegen mangelnden Lokalkolorits dar und scheiden daher als Eignungs- oder als Zuschlagskriterium aus. 2Allerdings kann vom Bewerber gefordert werden, dass er sich über die örtliche Genehmigungssituation und die regionalen Baugrundverhältnisse erkundigt.

1Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass die in § 12 VOF und § 13 VOF genannten Kriterien zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der fachlichen Eignung nicht voll umfänglich angewendet werden müssen. 2Eine auftragsbezogene Festlegung begünstigt sowohl den Aufwand der Bewerber bei der Erstellung der Teilnahmeanträge als auch den der Vergabestelle bei der Auswertung der Teilnahmeanträge.

Insbesondere bei Planungsleistungen mit erhöhten gestalterischen Anforderungen (z.B. Objektplanungen nach Teil II HOAI) besteht die Option, in einem zusätzlichen Verfahrensschritt (z.B. nach der Eignung auf 20 verbliebene Bewerber) die Entwurfsqualität ausgewählter Referenzobjekte der einzelnen Bewerber durch ein unabhängiges Gremium beurteilen zu lassen und so zu einer Endauswahl für die zur Verhandlung aufzufordernden Bewerber zu kommen.

1Hierbei ist zu beachten, dass neben der angemessenen Dokumentation der Arbeit des Gremiums auch eine entsprechende Bekanntmachung erfolgt. 2Dies erfordert der Grundsatz der Transparenz.

1Wird die Entwurfsqualität von Referenzprojekten im Rahmen der Bewerberauswahl berücksichtigt, so scheidet eine nochmalige Berücksichtigung als Auftragskriterium im Rahmen der Präsentation nach § 24 Abs. 2 VOF allerdings aus (Phase Auftragserteilung). 2Insofern ist durch die Vergabestelle zu prüfen und festzulegen, an welcher Stelle sinnvoller Weise Referenzobjekte präsentiert (und bewertet) werden.

2.2 Auftragserteilung nach § 16 VOF (Vergabeentscheidung)

Im Rahmen der Vergabeentscheidung kann und darf es nur noch um objektbezogene Darstellung des Bewerbers für die zu vergebende Leistung gehen: Nicht die Eignung des Bewerbers, sondern die Qualität der von ihm zu erbringenden Leistung gibt den Ausschlag für die Vergabeentscheidung (VOPPEL/OSENBRÜCK, Rdn 5 zu § 24 VOF).

1Die für die Bewerberauswahl herangezogenen Kriterien dürfen für die Phase Auftragserteilung in identischer Form nicht mehr herangezogen werden, diese Kriterien sind verbraucht. 2Die erneute Verwendung der Eignungswertung (Bewerberauswahl) in die Vergabeentscheidung oder eine allein personenbezogene Wertung ohne sachbezogene Prognose ist daher vergaberechtswidrig.

1Die Entscheidung über die Eignung der Bewerber ist abschließend am Ende der ersten Stufe des Verfahrens gefallen, nämlich im Rahmen der Entscheidung nach § 10, Abs. 1 VOF. 2Damit ist der Komplex der Eignung abschließend erledigt. 3Im Rahmen der Entscheidung über den Zuschlag haben Erwägungen über die Eignung der Bewerber keinen Raum mehr: 4Ein „Mehr“ an Eignung bei einem Bewerber darf die Vergabeentscheidung daher nicht beeinflussen.

1Zusammenfassend bedeutet dies, dass Auftragskriterien nicht unternehmensbezogen (Umsätze, Zahl der Mitarbeiter, Referenzen des Unternehmens) zu definieren sind, sondern auftragsbezogen. 2Auftragsbezogene Zuschlagskriterien sind z.B.:

a)
Bearbeitungsmethodik (Systematik zur Aufgabenlösung)
b)
Projektorganisation (ein kleineres, eingespieltes Team kann schlagkräftiger als ein aufgeblähtes und unübersichtliches Team sein)
c)
Konzept für Kosteneinhaltung
d)
Konzept für Termineinhaltung
e)
Maßnahmen zur Qualitätssicherung
f)
Bewertung Projektleiter
g)
Verfügbarkeit in den LP 1–7
h)
Örtliche Präsenz in der Leistungsphase 8 bzw. im Rahmen der örtlichen Bauüberwachung
i)
Verfügbarkeit (Abrufzeit) in der Leistungsphase 9
j)
Besuch von auftragsbezogenen Fortbildungsveranstaltungen
k)
Honorarparameter

3Vorgenannte Kriterien können dabei auf Basis der Angebotsunterlagen und/oder der Präsentation (Verhandlung) bewertet werden.

1Insbesondere die Kriterien f), g), h) und i) bedürfen dabei auftragsbezogen einer näheren Betrachtung. 2So ist die Bewertung des Projektleiters zwar mittelbar in der VOF vorgesehen, weil gerade die Qualifikation der herausgehobenen Mitarbeiter des Bewerbers im Rahmen der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen im besonderen Maß Beachtung findet (vgl. §§ 23, 24 Abs. 1 VOF).

1Im Gegensatz zu objektiv nachprüfbaren, persönlichen Erfahrungen und Referenzen stellen allerdings Kriterien wie Kommunikationsfähigkeit oder Durchsetzungsvermögen subjektive Elemente dar, die sich deshalb insoweit der Transparenz der Vergabeentscheidung und einer evtl. Nachprüfung verschließen. 2Dieses ist sachfremd und mit dem Vergaberecht nicht vereinbar.

Durchaus wertbar ist aber, wenn im Rahmen einer Präsentation erhebliche Zweifel an der Qualifikation des Projektleiters aufkommt, dieser z.B. auf fachliche Rückfragen gar nicht, fehlerhaft oder nur mit Allgemeinplätzen antwortet.

1Zur Beurteilung der Qualifikation der Bewerber (bzw. seines vorgesehenen Projektteams) besteht ergänzend die Möglichkeit, alle Bewerber im Rahmen der Präsentation um die (mündliche) Beantwortung eines konkreten Fragenkataloges zu bitten. 2Zu denken ist hierbei an die Möglichkeit, spezielle, auftragsbezogene Fachfragen zu stellen (z.B. Wie bewerten sie dieses Detail? Welche Fördermöglichkeiten sehen sie für dieses Projekt? Welche Genehmigungsverfahren sind aus ihrer Sicht erforderlich? Wie beurteilen sie ein Nebenangebot mit dem Inhalt XY?) 3Hierdurch wird die Möglichkeit eröffnet, über die Papierform hinaus zusätzliche Informationen über die Kompetenz des Projektteams zu erhalten und somit für die Beantwortung der Frage, wer die bestmöglichste Leistung erwarten lässt, eine zusätzliche Basis zu schaffen.

1Die vorgenannten Auftragskriterien hinsichtlich der Verfügbarkeit in den Leistungsphasen 1 bis 7 und 9 sowie der örtlichen Präsenz in der Leistungsphase 8 sind grundsätzlich mit der VOF vereinbar. 2Bezüglich der Verfügbarkeit in den Leistungsphasen 1 bis 7 bzw. 9 bedarf es jedoch einer sachlichen Begründung.

Als weiteres Auftragskriterium kommt die Präsentation von Referenzobjekten in Frage (§ 24 Abs. 2 VOF).

1Weiterhin kann die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen durch die Vergabestelle verlangt werden. 2Hierbei ist es zum einen möglich, mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Lösungsvorschlages nur einen Bewerber zu beauftragen, wenn im Vergabeverfahren vorab eine entsprechende Abschichtung auf einen verbliebenen Bewerber vorgenommen wurde. 3Zum anderen können aber auch mehrere noch im Verfahren verbliebene Bewerber beauftragt und die Qualität der Lösungsvorschläge zum Maßstab der Auftragserteilung gemacht werden.

1Es wird darauf hingewiesen, das die Ausarbeitung entsprechender Lösungsvorschläge nach § 24 Abs. 3 VOF zu vergüten ist. 2Weiterhin sollte auf eine derartig geplante Vorgehensweise bereits im Bekanntmachungstext hingewiesen werden.

1Es wird darauf hingewiesen, das die Ausarbeitung entsprechender Lösungsvorschläge nicht mit sog. Machbarkeitsstudien zu verwechseln ist 2Machbarkeitsstudien im eigentlichen Sinne hat die Vergabestelle vor Bekanntmachung des Vergabeverfahrens durchzuführen, um zu überprüfen, ob das Projekt grundsätzlich realisiert werden kann (sonst dürfte das Vergabeverfahren nicht durchgeführt werden) und welche Leistungen überhaupt ausgeschrieben werden sollen.

3 Berücksichtigung kleinerer Büroorganisationen und Berufsanfänger („Bremer Modell“)

3.1 Grundsätze der Vergabe an kleinere Büroorganisationen

1Nach § 4 Abs. 5 VOF sollen kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger angemessen beteiligt werden. 2Bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 VOF ergibt sich, dass die Vergabestelle keine Pflicht zur Beteiligung kleinerer Büroorganisationen und Berufsanfängern hat. 3Dem gemäß enthält die Regelung in § 4 Abs. 5 VOF keinen verbindlichen Grundsatz des Vergaberechts, sondern lediglich ein Programmsatz, der es der jeweiligen Vergabestelle offen lässt, in welcher Form eine Beteiligung von kleineren Büroorganisationen und Berufsanfängern im Einzelfall zweckmäßig erscheint.

1Im Rahmen des § 4 Abs. 5 VOF kann es nicht darum gehen, bei besonders schwierigen und komplexen Planungen, für die besondere Erfahrungen notwendig sind, kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger angemessen zu berücksichtigen. 2Außerdem ist § 4 Abs. 5 VOF nicht als Anspruchsgrundlage geeignet, sondern stellt vielmehr eine spezielle Ausformung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes dar und verbietet daher eine Gestaltung des Vergabeverfahrens, die kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger von vorne herein benachteiligt.

3.2 Bewerberauswahl nach dem „Bremer Modell“

1Eine Bevorzugung von Berufsanfängern und kleineren Büroorganisationen könnte dadurch erreicht werden, dass bereits zum Beginn des Vergabeverfahrens festgelegt wird, dass ein Bewerber aus dem Bereich der Berufsanfänger zu Auftragsverhandlungen aufgefordert wird. 2Dies kollidiert allerdings zunächst mit dem vergaberechtlichen Diskriminierungsverbot.

1Für die offenbare Ungleichbehandlung von älteren Büros durch eine entsprechende Quotenregelung bedarf es mithin einer sachlichen Begründung im Einzelfall. 2Eine sachliche Begründung könnte anhand eines Verweises auf dem Programmsatz nach § 4 Abs. 5 VOF erfolgen. 3Jedoch muss neben dem Verweis auf § 4 Abs. 5 VOF auftragsbezogen begründet werden (z.B. durch die fehlende Komplexität der Aufgabe), warum eine Bevorzugung von Berufsanfängern gerade beim fraglichen Vergabeverfahren Sinn macht.

1Außerdem ist die Bevorzugung weniger einschneidend und leichter zu begründen, je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass nicht ohne Weiteres ein Berufsanfänger den Zuschlag erhält. 2Dem gemäß wäre eine Quote von einem Berufsanfänger auf fünf sonstige Bewerber einer Quote von eins zu drei vorzuziehen.

3.3 Auftragserteilung nach dem „Bremer Modell“

Das Bremer Modell schlägt hier vor, als ergänzendes Zuschlagskriterium „kleinere Büroorganisationen oder Berufsanfänger“ aufzuführen.

1Dies erfolgt auch vor dem Hintergrund, das eine grundsätzliche Tendenz dahingehend festzustellen ist, das auch vergabefremde Kriterien vom Auftraggeber verwandt werden können. 2Diese so genannten vergabefremden Aspekte betreffen die Einbeziehung allgemeiner gesellschaftspolitischer Zwecke bei der Auftragsvergabe (z.B. Förderung junger Büros).

Der EuGH hat in mittlerweile ständiger Rechtssprechung Bedingungen ermittelt, nach denen vergabefremde Aspekte als Zuschlagskriterien verwandt werden dürfen; Zusammenhang mit dem Gegenstand des Auftrages, keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit des Auftraggebers, ausdrückliche Nennung in der Vergabebekanntmachung sowie Beachtung aller wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Diskriminierungsverbotes.

1Damit ist die Berücksichtigung von vergabefremden Kriterien bei Aufträgen, die die maßgeblichen Schwellenwerte erreichen, nicht ausgeschlossen. 2Jedoch muss der Auftraggeber in der Lage sein, effektiv zu überprüfen, inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien tatsächlich erfüllen und bestimmen, ob der vergabefremde Zweck dazu berechtigt, einen evtl. erhöhten finanziellen Aufwand zu betreiben.

Es wird darauf hingewiesen, dass der einfach Hinweis auf § 4 Abs. 5 VOF als Zuschlagskriterium nicht die Frage beantworten kann, ob die Bevorzugung von kleineren Büros und Berufsanfängern auch im Bezug auf den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.

Deshalb müssen neben dem allgemeinen Hinweis auf § 4 Abs. 5 VOF weitere auftragsbezogene bzw. inhaltliche Gründe für die Möglichkeit der Nutzung als Zuschlagskriterium sprechen.

1Die Begründung eines Zuschlagskriteriums „kleinere Büroorganisationen oder Berufsanfänger“ wären z.B. dadurch gegeben, das die nachgefragte Leistung im Besonderen für kleinere Büroorganisationen und/oder Berufsanfänger geeignet ist. 2Für Berufsanfänger wäre das z.B. eine wenig komplexe Aufgabe, zu deren Bewältigung keine große Erfahrung notwendig ist. 3Kleinere Büroorganisationen sind darüber hinaus besonders für kleinere Projekte geeignet. 4Im Zusammenspiel mit § 4 Abs. 5 VOF ist dies eine tragfähige Begründung, um in der Bekanntmachung das Zuschlagskriterium „kleinere Büroorganisationen oder Berufsanfänger“ aufführen zu können.

4 Dokumentation

1Die ordnungsgemäße Dokumentation eines Vergabeverfahrens ist grundsätzlich von hoher Bedeutung und betrifft in besonderer Weise das „Bremer Modell“. 2Gemäß § 18 VOF ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. 3Aus dem Vergabevermerk soll nicht nur hervorgehen, weshalb der bevorzugte Bewerber den Auftrag erhält, sondern es muss auch in zeitlicher Abfolge und insgesamt nachvollziehbar – z.B. durch Beschreibung der entscheidenden Zwischenschritte – dargestellt sein, weshalb die anderen Teilnehmer am Verhandlungsverfahren im Vergleich zum bevorzugten Bewerber ein schlechteres Ergebnis erzielen.

Ein Dokumentationsmangel kann zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen.

1Der Inhalt des Dokumentationsgebotes und die Rechtsfolgen einer Verletzung von § 18 VOF zeigen, dass die Beachtung der aufgezeigten Pflichten elementare Bedeutung für den Erfolg eines Vergabeverfahrens hat. 2Beim Bremer Modell müssen insbesondere die Aufstellung der Eignungs- und Zuschlagskriterien samt entsprechender Gewichtung begründet werden. 3Dies gilt insbesondere für die Begründung der Bevorzugung von kleineren Büroorganisationen und Berufsanfängern.



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