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Ausführungsvorschrift zu § 45 SGB XII
Gesetzestext: | 2 | |
45.0 | Regelungsziel | 2 |
45.1 | Verhältnis von § 45 SGB XII zu § 44a SGB II | 3 |
45.2 | Verpflichtung zum Ersuchen | 4 |
45.3 | Feststellungsbefugnis und Zuständigkeit | 6 |
45.4 | Wahrscheinlichkeit | 6 |
45.5 | Bindungswirkung | 7 |
45.6 | Ausnahmen für ein Ersuchen nach Satz 3 und 4 | 8 |
45.6.1 | bereits erfolgte Feststellung durch den Rentenversicherungsträger - § 45 Satz 3 Nummer 1 und 2 | 8 |
45.6.2 | WfbM oder andere Leistungsanbieter - § 45 Satz 3 Nummer 3 | 10 |
45.6.3 | Fachausschuss / Teilhabe- und Gesamtplanverfahren - § 45 Satz 3 Nummer 4 und Satz 4 | 11 |
45.7 | Kosten, Auslagen und Dokumentation | 11 |
Inkrafttreten | 12 |
Gesetzestext:
§ 45 Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung
1Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. 2Die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung ist bindend für den ersuchenden Träger, der für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständig ist; dies gilt auch für eine Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung nach § 109a Absatz 3 des Sechsten Buches. 3Ein Ersuchen nach Satz 1 erfolgt nicht, wenn
4In Fällen des Satzes 3 Nummer 4 wird die Stellungnahme des Fachausschusses bei Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens nach den §§ 19 bis 23 des Neunten Buches durch eine entsprechende Feststellung im Teilhabeplanverfahren ersetzt; dies gilt entsprechend, wenn ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 des Neunten Buches durchgeführt wird.
1Die Norm regelt die Zusammenarbeit mit dem gesetzlichen Rentenversicherungsträger und macht dem Träger der Sozialhilfe Vorgaben über das Verfahren zur Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung. 2Der Gesetzgeber hat mit Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die Entscheidung getroffen, dass die Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung ausschließlich von den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern vorzunehmen ist. 3Grund hierfür ist zum einen, dass die Rentenversicherungsträger aufgrund der Einführung der Renten wegen Erwerbsminderung (Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I Nummer 57, 1827 ff.) über das erforderliche sozialmedizinische Fachwissen verfügen und das hierfür erforderliche Begutachtungsverfahren aufgebaut haben. 4Zum anderen sollen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die Voraussetzungen der dauerhaften vollen Erwerbsminderung einheitlich und unabhängig von der Rentenberechtigung der leistungsnachsuchenden Person festgestellt werden. 5Darüber hinaus sollen für die Betroffenen belastende Doppelbegutachtungen sowie abweichende Feststellungen verhindert werden. 6Auch die in § 45 Satz 3 genannten Ausnahmefälle dienen in erster Linie dazu, Doppelprüfungen zu vermeiden (BT-Drs. 14/4595, 50, 51; BT-Drs. 14/5150, 31).
45.1 Verhältnis von § 45 SGB XII zu § 44a SGB II
(1) 1Im SGB II gewährleistet § 44a SGB II die Einheitlichkeit der Entscheidung über das Vorliegen der Erwerbsfähigkeit bzw. einer vollen oder dauerhaften vollen Erwerbsminderung. 2Für das Vierte Kapitel des SGB XII leistet dies § 45 SGB XII für die dauerhafte volle Erwerbsminderung. 3Beide Regelungen sehen vor, dass (bei unterschiedlicher Auffassung der beteiligten Träger nach dem SGB II und dem SGB XII) hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsfähigkeit oder einer vollen Erwerbsminderung sowie einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung einer hilfebedürftigen Person vollständig und materiell-rechtlich verbindlich durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gutachterlich entschieden wird. 4Beantragt die leistungsnachsuchende Person Leistungen nach dem SGB II, prüft der SGB II-Träger die Erwerbsfähigkeit im Verfahren nach § 44a SGB II gemäß den dort geregelten Voraussetzungen. Bei einem Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII erfolgt das Feststellungsverfahren nach § 45 SGB XII, sofern das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung wahrscheinlich erscheint (vgl. 45.4).
(2) 1Nach § 44a Absatz 1 SGB II stellt der SGB II-Träger fest, ob eine hilfebedürftige arbeitsuchende Person erwerbsfähig ist oder nicht. 2Der Entscheidung des SGB II-Trägers, dass die Person nicht erwerbsfähig ist, kann der Träger der Sozialhilfe widersprechen. 3Im Sinne einer zeitnahen Klärung hat der Träger der Sozialhilfe seinen Widerspruch unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. auch § 86 SGB X) einzulegen und zu begründen (§ 44a Absatz 1 Satz 3 SGB II). 4In diesem Fall ist der SGB II-Träger verpflichtet, vor seiner abschließenden Entscheidung eine gutachterliche Stellungnahme des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers zur Frage der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 SGB II einzuholen (§ 44a Absatz 1 Satz 5 SGB II i. V. m. § 109a Absatz 3 Satz 1 SGB VI). 5Kommt der Rentenversicherungsträger bei seiner Begutachtung zu dem Ergebnis, dass keine Erwerbsfähigkeit, sondern eine volle Erwerbsminderung vorliegt, prüft er bei volljährigen Antragstellern ergänzend, ob die volle Erwerbsminderung voraussichtlich von Dauer sein wird (§ 109a Absatz 3 Satz 2 SGB VI). 6In diesem Fall enthält die nach § 44a Absatz 1 SGB II eingeholte Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers zugleich eine verbindliche Aussage über die Voraussetzungen der Grundsicherung. 7Bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Sozialhilfeträgers werden weiterhin Leistungen nach dem SGB II erbracht (§ 44a Absatz 1 Satz 7 SGB II). 8Falls der SGB II-Träger auf Grundlage der Feststellung des Rentenversicherungsträgers entscheidet, dass ein Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgrund voller Erwerbsminderung nicht besteht, besteht ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Träger der Sozialhilfe, wenn Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zuerkannt wird (§ 44a Absatz 3 Satz 1 SGB II). 9Dieser Erstattungsanspruch besteht für SGB II-Leistungen, die ab dem Tag der Widerspruchserhebung erbracht worden sind (§ 44a Absatz 3 Satz 2 SGB II i. V. m. § 103 Absatz 3 SGB X) und umfasst nicht die für die leistungsberechtigte Person gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
(3) 1Im Unterschied zu § 44a SGB II, der maßgeblich der Feststellung der Erwerbsfähigkeit dient, weil dieses Tatbestandsmerkmal zentral für die Systemzuordnung in das SGB II oder SGB XII ist, dient das Verfahren nach § 45 der Feststellung der Zugehörigkeit zum Vierten Kapitel des SGB XII. 2D.h., das Verfahren nach § 45 zielt auf die Prüfung der Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung ab. 3Die Begutachtung kann dabei auch zum Ergebnis führen, dass eine befristete volle Erwerbsminderung vorliegt. 4In diesem Fall sind Leistungen nach dem Dritten Kapitel bzw. Leistungen nach dem SGB II (Sozialgeld) zu prüfen.
(4) 1Verweist das Jobcenter eine volljährige Person wegen fehlender Erwerbsfähigkeit an den Träger der Sozialhilfe und teilt der Träger der Sozialhilfe diese Einschätzung (kein Widerspruchsfall), hat er ein Verfahren nach § 45 unter den dort genannten Voraussetzungen einzuleiten. 2Bis zur Feststellung durch den Rentenversicherungsträger sind ggf. Leistungen nach dem Dritten Kapitel oder Leistungen nach dem SGB II (Sozialgeld) zu erbringen.
45.2 Verpflichtung zum Ersuchen
(1) 1Der zuständige Träger der Sozialhilfe ist nach § 45 Satz 1 grundsätzlich verpflichtet, den zuständigen Rentenversicherungsträger um eine Begutachtung zu ersuchen, wenn er eine dauerhafte volle Erwerbsminderung für wahrscheinlich hält. 2Mangels eigener Prüfkompetenz hat er auch dann die Prüfung durch den Rentenversicherungsträger zu veranlassen, wenn er selbst keine Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 hat.
(2) 1Wird das in § 45 vorgeschriebene Verfahren vom Träger der Sozialhilfe nicht durchgeführt, ist die Gewährung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel rechtswidrig. 2Auch eine vorläufige Bewilligung ist angesichts des Wortlauts in § 44a Absatz 1 ausgeschlossen. 3Die Befugnis zur Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung liegt nach § 45 ausschließlich beim Rentenversicherungsträger. 4Seine Feststellung ist für den Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel zwingend, weil das Gesetz durch die Konzentration der Entscheidung beim Rentenversicherungsträger eine einheitliche und sachgerechte Entscheidung für die unterschiedlichen Leistungssysteme (SGB II, SGB XII, SGB VI) regelt (vgl. dazu auch 45.0.). 5Der Träger der Sozialhilfe kann diese Feststellung nicht ersetzen. 6Fehlt sie, sind (bis zur Entscheidung durch den gesetzlichen Rentenversicherungsträger) ggf. Leistungen nach dem Dritten Kapitel zu erbringen, sofern die leistungsnachsuchende Person nicht mit einer erwerbsfähigen Person in Bedarfsgemeinschaft lebt und somit ggf. Sozialgeld nach dem SGB II zu gewähren ist (vgl. 45.4 (4) Satz 4). 7Erst nach Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger sind (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) Leistungen nach dem Vierten Kapitel zu bewilligen.
Beispiel:
Es liegen mehrere (amts-)ärztliche Gutachten bzw. Pflegegutachten vor, die eine dauerhafte Bettlägerigkeit und stark eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit der zu begutachtenden Person dokumentieren. Trotz dieser Anhaltspunkte kann das Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 nicht vom Träger der Sozialhilfe festgestellt werden. Es ist ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger zu stellen. Bis zur Entscheidung des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers muss der Sozialhilfeträger dem Hilfebedürftigen ggf. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel erbringen oder bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft mit einer erwerbsfähigen Person den Hilfebedürftigen an den SGB II-Träger verweisen, damit ggf. Sozialgeld nach dem SGB II erbracht werden kann (vgl. 45.4 (4) Satz 4).
(3) 1Die Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung ist nicht angezeigt, wenn entweder keine Hilfebedürftigkeit (vgl. 41.1.4) besteht, die leistungsnachsuchende Person die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 (vgl. 41.2.1 f.) erreicht hat oder bereits leistungsberechtigt nach § 41 Absatz 3a (vgl. 41.3a) ist. 2Daher sind zunächst das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit und die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3a zu prüfen sowie das Lebensalter festzustellen. 3Nur, wenn sich ergibt, dass Hilfebedürftigkeit vorliegt, die Altersgrenze noch nicht erreicht ist und die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3a nicht vorliegen, bedarf es bei Volljährigen eines Ersuchens an den Rentenversicherungsträger.
(4) 1Ausnahmsweise bedarf es keines Ersuchens an den Rentenversicherungsträger in den in Satz 3 und 4 benannten Fällen, wenn:
2Aus dem Ausschluss des Ersuchens folgt nicht, dass zwingend eine dauerhafte volle Erwerbsminderung feststeht. 3Dies gilt insbesondere dann, wenn der Rentenversicherungsträger nur eine befristet zu gewährende Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt hat (vgl. 45.6.1 mit Beispiel zur befristet gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung).
(5) 1Ausnahmsweise kann auf ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger auch dann verzichtet werden, wenn im Rahmen der Antragsbearbeitung festgestellt wird, dass die leistungsnachsuchende Person die Vorversicherungszeiten für eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Absatz 2 SGB VI erfüllt. 2In diesem Fall ist sie umgehend aufzufordern, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. 3Im Rahmen des Rentenantragsverfahrens erfolgt eine Feststellung durch den Rentenversicherungsträger. 4Bis zur Feststellung durch den Rentenversicherungsträger kommen ggf. Leistungen nach dem Dritten Kapitel oder nach dem SGB II in Betracht.
45.3 Feststellungsbefugnis und Zuständigkeit
(1) 1Die Befugnis zur Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung liegt aufgrund der dort vorhandenen sozialmedizinischen Fachkompetenz ausschließlich bei dem nach § 109a SGB VI zuständigen Rentenversicherungsträger (vgl. 45.0 bis 45.2). 2Die Beurteilung des amtsärztlichen Dienstes des Trägers der Sozialhilfe oder des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit ersetzt nicht die Feststellung durch den Rentenversicherungsträger und kann deshalb auch nicht das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 41 Absatz 3 begründen. 3Ebenso wenig ist eine Feststellung der Alterskasse für Landwirte oder anderer berufsständischer Versorgungseinrichtungen ausreichend.
(2) 1Zuständig für die Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung ist bei versicherten Personen der Rentenversicherungsträger, der auch für die Erbringung von Leistungen an den Versicherten zuständig ist (§ 109a Absatz 4 Nummer 1 SGB VI), im Übrigen der Regionalträger, der für den Sitz des Trägers der Sozialhilfe örtlich zuständig (§ 128 SGB VI) ist (§ 109a Absatz 4 Nummer 2 SGB VI).
(1) 1Ein Ersuchen zur gutachterlichen Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung an den zuständigen Rentenversicherungsträger ist zu veranlassen, wenn eine dauerhafte volle Erwerbsminderung wahrscheinlich erscheint (Prognoseentscheidung).
(2) 1Eine Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, die eine dauerhafte volle Erwerbsminderung mehr als nur möglich erscheinen lassen. 2Ein offensichtliches Vorliegen der Voraussetzungen für eine dauerhafte volle Erwerbsminderung ist dagegen nicht erforderlich. 3Anhaltspunkte können Angaben der leistungsberechtigten Person sowie ärztliche Atteste, Gutachten (z.B. Gutachten der Agentur für Arbeit über die Feststellung fehlender Erwerbsfähigkeit, Pflegegutachten, Gutachten im Schwerbehindertenrecht) oder Unterlagen der Krankenkasse sein. 4Die Selbsteinschätzung der leistungsnachsuchenden Person, sie sei dauerhaft voll erwerbsgemindert, genügt nicht. 5Auch das Vorliegen eines Feststellungsbescheides aufgrund einer Schwerbehinderung reicht allein nicht aus.
(3) 1Zur Klärung der Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung können weitere Ermittlungen durchgeführt (z.B. Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme) und die leistungsnachsuchende Person kann durch den Träger der Sozialhilfe insbesondere zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhaltes nach §§ 60 ff. SGB I aufgefordert werden. 2Sobald eine dauerhafte volle Erwerbsminderung wahrscheinlich ist, ist der zuständige Rentenversicherungsträger um die gutachterliche Feststellung zu ersuchen.
(4) 1Ist die leistungsnachsuchende Person wahrscheinlich nicht voll erwerbsgemindert und somit erwerbsfähig im Sinne des SGB II (was eine teilweise Erwerbsminderung miteinschließt), ist ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger nach § 45 ausgeschlossen. 2Dies gilt insbesondere auch für Bezieher von Arbeitsmarktrenten (vgl. 41.3.7). 3In diesem Fall ist an den zuständigen SGB II-Träger zu verweisen (§ 15 Absatz 2 SGB I). 4Der Antrag ist vom Träger der Sozialhilfe an den SGB II-Träger weiterzuleiten und gilt zu dem Zeitpunkt als gestellt, in dem er bei dem Träger der Sozialhilfe eingegangen ist (§ 16 Absatz 2 SGB I). 5Ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger nach § 45 ist zudem ausgeschlossen, wenn aufgrund der vorgelegten Unterlagen und Nachweise nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine dauerhafte volle Erwerbsminderung wahrscheinlich erscheint. 6Sofern eine volle Erwerbsminderung festgestellt wurde, ist entweder Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel oder eine Verweisung an den SGB II-Träger (bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft mit einer erwerbsfähigen Person nach dem SGB II) zu prüfen.
(1) 1Die gutachterliche Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers ist für den ersuchenden Träger der Sozialhilfe bindend. 2Der Träger der Sozialhilfe kann die Feststellung des Rentenversicherungsträgers nicht durch eine eigene, gegenteilige Entscheidung ersetzen. 3Wenn der Träger der Sozialhilfe berechtigte Zweifel an der Feststellung des Rentenversicherungsträgers hat, ist er verpflichtet, den Rentenversicherungsträger nach § 20 SGB X zur weiteren Prüfung der medizinischen Voraussetzung des § 41 Absatz 3 anzuhalten. 4Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Träger der Sozialhilfe Anhaltspunkte hat, dass die leistungsnachsuchende Person gegenüber den ärztlichen Gutachtern unzutreffende Angaben über ihren Gesundheitszustand und ihre Beeinträchtigungen gemacht hat.
(2) 1Die Feststellung des Rentenversicherungsträgers kann auch nicht durch die leistungsnachsuchende Person angegriffen werden. 2Mangels Außenwirkung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X, sondern lediglich um eine Mitteilung zwischen zwei Behörden (hier: Rentenversicherungsträger und Träger der Sozialhilfe). 3Ist die leistungsnachsuchende Person mit der Feststellung des Rentenversicherungsträgers nicht einverstanden, muss sie sich gegen den vom Träger der Sozialhilfe erlassenen Bescheid wenden. 4Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle ist die Entscheidung des Trägers der Sozialhilfe in vollem Umfang überprüfbar; es besteht keine Bindungswirkung der Gerichte an die Feststellungen des Rentenversicherungsträgers.
(3) 1Liegt eine bindende Feststellung durch den Rentenversicherungsträger aufgrund eines Ersuchens vor und tritt danach eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der leistungsnachsuchenden Person ein, z.B. eine Verschlechterung oder eine Verbesserung - beispielsweise aufgrund neuer ärztlicher Behandlungsmethoden -, hat der Träger der Sozialhilfe zu prüfen, ob eine neue Begutachtung gerechtfertigt ist. 2Hält er es für wahrscheinlich, dass der Rentenversicherungsträger nunmehr eine andere Entscheidung treffen wird, ist an diesen ein erneutes Ersuchen zu richten. 3Dabei ist darzulegen, weshalb die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung gesehen wird.
45.6 Ausnahmen für ein Ersuchen nach Satz 3 und 4
1§ 45 Satz 3 regelt abschließend vier Fälle, in denen ein Ersuchen nach § 45 Satz 1 grundsätzlich entfällt.
(1) 1Nach § 45 Satz 3 Nummer 1 erfolgt ein Ersuchen nicht, wenn ein Rentenversicherungsträger bereits die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung geprüft hat. 2Dies ist der Fall, wenn der Rentenversicherungsträger den Rentenantrag mangels Vorliegen einer Erwerbsminderung abgelehnt oder eine Rente wegen dauerhafter voller Erwerbsminderung, eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder eine zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt hat. 3Zu prüfen ist in diesen Fällen, ob
in Betracht kommen.
Beispiel:
Die leistungsnachsuchende Person stellt bei dem Rentenversicherungsträger einen Antrag auf eine dauerhafte volle Erwerbsminderungsrente. Die Prüfung durch den Rentenversicherungsträger ergab, dass die leistungsnachsuchende Person zwar voll erwerbsgemindert ist, jedoch eine zeitlich befristete und keine dauerhafte volle Erwerbsminderung vorliegt. Der Rentenversicherungsträger hat somit die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen des Antrages auf Rente wegen Erwerbsminderung geprüft. Dies hat zur Folge, dass ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger nicht mehr erforderlich ist. Die leistungsnachsuchende Person ist nicht nach § 41 leistungsberechtigt, da keine Dauerhaftigkeit festgestellt wurde. Es kommen dann ggf. Leistungen nach dem Dritten Kapitel oder Leistungen nach dem SGB II (Sozialgeld; vgl. 45.4 (4) Satz 4) in Betracht.
(2) 1Nach § 45 Satz 3 Nummer 2 erfolgt ein Ersuchen nicht, wenn ein Rentenversicherungsträger bereits nach § 109a Absatz 2 und 3 SGB VI eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat. 2Danach findet kein weiteres Ersuchen statt, wenn ein Rentenversicherungsträger bereits aufgrund eines Ersuchens eines anderen Trägers nach dem SGB XII oder nach dem SGB II eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat.
(3) 1Ein erneutes Ersuchen nach § 45 Satz 3 Nummer 1 und 2 entfällt jedoch nur, wenn die Feststellung durch einen der nach § 109a Absatz 4 SGB VI zuständigen Rentenversicherungsträger erfolgt ist. 2Feststellungen durch die Alterskasse für Landwirte oder andere berufsständische Versorgungseinrichtungen unterfallen nicht § 45 Satz 3 Nummer 1 und 2. 3Bindend für den Träger der Sozialhilfe sind somit auch nur Feststellungen, die durch die in § 109a Absatz 4 SGB VI benannten Rentenversicherungsträger getroffen wurden.
Beispiel:
Die leistungsnachsuchende Person stellte sowohl bei dem für ihn nach § 109a Absatz 4 SGB VI zuständigen Rentenversicherungsträger als auch bei der für ihn zuständigen Alterskasse für Landwirte einen Antrag auf eine dauerhafte volle Erwerbsminderungsrente. Die Prüfung durch den Rentenversicherungsträger ergab, dass die leistungsnachsuchende Person zwar voll erwerbsgemindert ist, jedoch eine zeitlich befristete und keine dauerhafte volle Erwerbsminderung vorliegt. Die Alterskasse der Landwirte stellte dagegen fest, dass die leistungsnachsuchende Person dauerhaft voll erwerbsgemindert ist, und gewährte ihr eine entsprechende Rente wegen dauerhafter voller Erwerbsminderung. Ein erneutes Ersuchen ist nicht erforderlich, da bereits der Rentenversicherungsträger die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen des Antrages auf Rente wegen Erwerbsminderung geprüft hat. Die leistungsnachsuchende Person ist demnach nicht nach § 41 leistungsberechtigt, da keine Dauerhaftigkeit festgestellt wurde. Es kommen dann ggf. Leistungen nach dem Dritten Kapitel oder Sozialgeld nach dem SGB II in Betracht. Dem stehen auch nicht die Feststellungen der Alterskasse für Landwirte entgegen, da es sich hierbei nicht um einen Rentenversicherungsträger nach § 109a SGB VI handelt. Die Feststellungen der Alterskasse für Landwirte sind für den Träger der Sozialhilfe daher nicht bindend.
(4) 1Liegen neue Anhaltspunkte für eine Verbesserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes der leistungsnachsuchenden Person vor, ist in den Fällen des § 45 Satz 3 Nummer 1 und 2 zu prüfen, ob ggf. ein (erneutes) Ersuchen an den zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen ist (vgl. 45.4). 2Hält der Träger der Sozialhilfe es für wahrscheinlich, dass der Rentenversicherungsträger eine andere Entscheidung treffen wird, ist wegen der Bindungswirkung nach § 45 Satz 2 eine neue gutachterliche Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers erforderlich.
(1) 1Nach § 45 Satz 3 Nummer 3 erfolgt ein Ersuchen nicht, wenn Personen in einer WfbM (oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach den §§ 57, 60 SGB IX) das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen, da dieser Personenkreis bereits nach § 41 Absatz 3a leistungsberechtigt ist (vgl. 41.3a). 2Dies gilt auch für Personen, die in einem Ausbildungsverhältnis stehen, für das sie ein Budget für Ausbildung erhalten (§ 61a SGB IX), und während einer Unterbrechung aufgrund Mutterschutzes und Elternzeit.
(2) 1Ist die leistungsnachsuchende Person im Arbeitsbereich einer WfbM (oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach den §§ 58, 60 SGB IX) beschäftigt, bedarf es ebenfalls keines Ersuchens an den Rentenversicherungsträger, § 45 Satz 3 Nummer 3. 2Denn Beschäftigte im Arbeitsbereich einer WfbM gelten regelmäßig als dauerhaft voll erwerbsgemindert (vgl. 41.3.4.6). 3Diese Vermutung gilt solange, wie das der Beschäftigung zugrundeliegende Werkstattverhältnis besteht, so z.B. auch während eines Mutterschutzes und in einer Elternzeit, sowie für Personen, die ein Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX) beziehen. 4Diese Vermutung gilt auch dann, wenn der Rentenversicherungsträger vor Aufnahme der Tätigkeit in einer WfbM eine dauerhafte volle Erwerbsminderung verneint hat. 5Dies folgt aus einem Erst-Recht-Schluss aus § 41 Absatz 3a: Personen, die im Arbeitsbereich einer WfbM arbeiten, sind nicht schlechter zu stellen als Personen, die in einer WfbM das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen. 6Zudem sind Brüche beim Übergang vom Eingangsverfahren bzw. dem Berufsbildungsbereich in den Arbeitsbereich der WfbM zu vermeiden. 7Die gesetzliche Vermutung des § 45 Satz 3 Nummer 3 ist demzufolge für alle in dieser Nummer geregelten Alternativen nicht widerleglich, solange das der Beschäftigung zugrundeliegende Werkstattverhältnis besteht.
(3) 1Nimmt die leistungsnachsuchende Person nach der Werkstatttätigkeit eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen mit einer täglichen Arbeitszeit von mindestens drei Stunden auf, sind damit die Voraussetzungen für eine dauerhafte volle Erwerbsminderung widerlegt. 2Es besteht deshalb kein Anspruch auf Grundsicherung mehr und der Bewilligungsbescheid ist nach Maßgabe des aufzuheben. 3Soweit weiterhin Hilfebedürftigkeit besteht, ist die leistungsnachsuchende Person auf ggf. einschlägige SGB II-Leistungen zu verweisen. 4Ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger nach § 45 ist in diesem Fall nicht notwendig.
(4) 1Wird die Tätigkeit in einer WfbM (oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach den §§ 58, 60 SGB IX) von einer leistungsnachsuchenden Person aus gesundheitlichen Gründen beendet, hat der Träger der Sozialhilfe auf Grundlage der von der leistungsnachsuchenden Person hierfür vorgebrachten Begründung zu prüfen, ob eine Ausnahme des § 45 vorliegt und ansonsten ein Ersuchen an den zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen, wenn er weiterhin das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung für wahrscheinlich hält. 2Das gilt auch für die Fälle, in denen die Werkstattbeschäftigung und das der Beschäftigung zugrundeliegende Werkstattverhältnis aus anderen Gründen beendet wird. 3Liegt in diesen Fällen nicht länger eine Ausnahme nach § 45 Satz 3 vor, sind ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger sowie Leistungen nach dem Dritten Kapitel oder nach dem SGB II zu prüfen.
(1) 1Nach § 45 Satz 3 Nummer 4 erfolgt ein Ersuchen nicht, wenn der Fachausschuss einer WfbM über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme nach den §§ 2 und 3 der WVO abgegeben und dabei festgestellt hat, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht vorliegt. 2In diesen Fällen erübrigt sich ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger, da die Erwerbsfähigkeit soweit eingeschränkt ist, dass selbst eine Beschäftigung im Arbeitsbereich der WfbM nicht in Betracht kommt und somit auch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. 3Dieser Personenkreis wird dann i.d.R. in tagesstrukturierenden Maßnahmen betreut.
(2) 1Nach § 2 Absatz 1a WVO unterbleibt ein Tätigwerden des Fachausschusses, soweit ein Teilhabeplanverfahren nach den §§ 19 bis 23 SGB IX durchgeführt wird. 2Dies gilt entsprechend, wenn ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 SGB IX durchgeführt wird. 3Gemäß § 45 Satz 4 wird die Stellungnahme des Fachausschusses einer WfbM daher ersetzt, wenn ein Teilhabeplanverfahren nach den §§ 19 bis 23 SGB IX bzw. ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 SGB IX durchgeführt und in diesen Verfahren eine Feststellung im Sinne der Nummer 4 getroffen wird. 4Durch das Teilhabe- bzw. Gesamtplanverfahren wird gewährleistet, dass der Rehabilitationsbedarf umfassend ermittelt und festgestellt wird. 5Eine Stellungnahme des Fachausschusses ist daher nicht mehr erforderlich.
45.7 Kosten, Auslagen und Dokumentation
(1) 1Die Kosten und Auslagen des Rentenversicherungsträgers für die Begutachtung trägt gemäß § 224b SGB VI der Bund. 2Hierzu gehören auch die mit der Begutachtung ggf. entstandenen Kosten für Dolmetscherleistungen, einschließlich Kosten für Gebärdensprachdolmetscher. 3Fahrt- und Reisekosten, die der leistungsnachsuchenden Person im Zusammenhang mit der Begutachtung entstehen, sind durch die Träger der Sozialhilfe zu ersetzen (vgl. §§ 65a, 61 SGB I). 4Hierbei handelt es sich jedoch nicht um gemäß § 46a erstattungsfähige Geldleistungen der Grundsicherung. 5Durch Art. 104a Absatz 5 GG ist die Erstattung von Verwaltungskosten durch den Bund ausgeschlossen. 6Dies gilt auch für Fälle, in denen die dauerhafte volle Erwerbsminderung festgestellt wurde.
(2) 1Die im Rahmen des § 45 und § 41 Absatz 3 erfolgten gutachterlichen Stellungnahmen und sonstige für das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung erheblichen Unterlagen sind so hinreichend zu dokumentieren, dass diese für den Nachweis und die Überprüfung der Leistungsberechtigung, insbesondere im Rahmen der Weiterbewilligung, stets zur Verfügung stehen.
Die Ausführungsvorschrift tritt mit Wirkung zum 01.12.2020 in Kraft und setzt die bisherige Verwaltungsvorschrift zu § 45 SGB XII außer Kraft.
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