- 1.
Die Veränderung von Ansprüchen (Stundung, Niederschlagung und Erlass) ist im § 59 der Landeshaushaltsordnung (LHO) und in den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften geregelt. Für Steuerforderungen bestehen entsprechende Regelungen in der Abgabenordnung (AO), die aufgrund der Bestimmungen des Bremischen Abgabengesetzes Anwendung finden. Weiterhin gelten für Kosten (Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren und Auslagen) und Beiträge die Regelungen des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes (BremGebBeitrG). Die Regelungen in dieser Dienstanweisung sollen die rechtlichen Bestimmungen konkretisieren und zu einer einheitlichen Verfahrensweise bei der Bearbeitung führen. Forderungen im Sinne dieser Dienstanweisung sind sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Ansprüche (Geldforderungen) der Stadt Bremerhaven.
Diese Dienstanweisung gilt für alle Organisationseinheiten. Organisationseinheiten im Sinne dieser Dienstanweisung sind Referate, Ämter, Amtsstellen und nachgeordnete Einrichtungen (z.B. Kindertagesstätten und Schulen) sowie Betriebe nach § 26 LHO. Die Entsorgungsbetriebe Bremerhaven (Anstalt des öffentlichen Rechts) werden gebeten, eine gleichlautende Dienstanweisung zu erlassen.
- 2.
- 2.1
Die Stundung ist die Gewährung eines Zahlungsaufschubes unter Hinausschiebung des Fälligkeitstermins. Sie ist in das pflichtgemäße Ermessen der Verwaltung gestellt.
- 2.2
- •
ihre Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für die Schuldnerin oder den Schuldner bedeuten würde und
- •
der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint.
- 2.2.1
Eine erhebliche Härte für die Schuldnerin oder den Schuldner ist dann anzunehmen, wenn sie oder er sich aufgrund eigener ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet oder im Fall der sofortigen Einziehung in diese geraten würde. Das bedeutet, dass die Schuldnerin oder der Schuldner die notwendigen Zahlungsmittel nicht zur Verfügung hat und sie auch nicht in zumutbarer Weise - z. B. über die Aufnahme eines Kredits – beschaffen kann. Dabei ist stets auf den Fälligkeitszeitpunkt abzustellen.
- 2.2.2
Durch die Stundung darf der Anspruch nicht gefährdet werden. Eine Gefährdung liegt insbesondere dann vor, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten realisiert werden kann.
- 2.2.3
In der Regel ist eine Sicherheitsleistung (z. B. Wertpapiere, Forderungsabtretung) von der Schuldnerin oder vom Schuldner zu verlangen, in die auch eine Vollstreckung möglich ist.
- 2.2.4
Die Stundung kann auch in Form einer Ratenzahlung erfolgen und wird bei Ansprüchen im Sinne des § 59 nur auf Antrag, bei Ansprüchen nach der AO in der Regel nur auf Antrag gewährt.
- 2.3
Gestundete Beträge sind angemessen zu verzinsen. Die Stundungszinsen betragen
- •
bei Steuerforderungen 0,5 % für jeden vollen Monat
(§ 238 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO),
- •
- •
bei allen übrigen Forderungen 2 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB (VV-LHO Nr. 1.4.1 Satz 1 zu § 59 LHO).
Von der Erhebung von Zinsen kann u. a. abgesehen werden, wenn der Zinsanspruch sich auf nicht mehr als 10 Euro belaufen würde (VV-LHO Nr. 1.4.2.2 zu § 59 LHO). Bei Steuerforderungen werden Stundungszinsen nur festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen (§ 239 Abs. 2 Satz 2 AO). - 2.4
Über die gewährte Stundung ist der Schuldnerin oder dem Schuldner ein schriftlicher Bescheid zu erteilen. Der Bescheid ist mit einem ausdrücklichen Vorbehalt des Widerrufs zu versehen für den Fall, dass eine der festgesetzten Raten bei Fälligkeit nicht gezahlt ist oder laufende Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt werden.
Bei privatrechtlichen Ansprüchen sowie bei Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen ist die Stundung vertraglich zu vereinbaren. Wird Stundung durch Einräumung von Teilzahlungen gewährt, so ist in die entsprechende Vereinbarung eine Bestimmung aufzunehmen, nach der die jeweilige Restforderung sofort fällig wird, wenn die Frist für die Leistung von zwei aufeinanderfolgenden Raten um eine Woche überschritten ist oder wenn die Höhe des Rückstandes den Betrag von zwei Raten erreicht (VV-LHO Nr. 1.3 Satz 1 zu § 59 LHO). - 2.5
Bei Stundungen von grundsätzlicher Bedeutung sowie in allen von der Delegation nicht betroffenen Fällen ist die Einwilligung des Magistrats einzuholen.
Ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung ist insbesondere anzunehmen, wenn die Entscheidung über den Einzelfall hinaus präjudizielle Bedeutung haben kann (z. B. bei Auswirkungen auf die Beurteilung künftiger Fälle beziehungsweise bei Auswirkungen auf die Haushaltswirtschaft oder die Haushaltsentwicklung).
Zur Stundung von Einzelansprüchen werden ermächtigt:
Beträge: | | Berechtigte: |
bis zu 25.000 Euro mit einer Stundungsdauer bis zu 18 Monaten bzw. bis zu 5.000 Euro mit einer Stundungsdauer bis zu 3 Jahren |
| alle Amts- und Betriebsleiterinnen und -leiter für ihre Geschäftsbereiche sowiedie Leiterin oder der Leiter für Wirt- schaftsangelegenheiten innerhalb des Führungsstabes der Ortspolizeibehörde |
- 3.
- 3.1
Die Niederschlagung ist die befristete oder unbefristete Zurückstellung der Weiterverfolgung eines fälligen Anspruchs ohne Verzicht auf diesen Anspruch.
Sie ist eine verwaltungsinterne Maßnahme. Von der Niederschlagung erhält die Schuldnerin oder der Schuldner keine Nachricht.
- 3.2
Eine befristete Niederschlagung kommt nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LHO in Verbindung mit VV-LHO Nr. 2.3 zu § 59 LHO und § 261 AO in Betracht, wenn die Einziehung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Anspruchsgegnerin oder des Anspruchsgegners oder aus anderen Gründen vorübergehend keinen Erfolg haben wird und die Voraussetzungen für eine Stundung nicht vorliegen. Beispiele für das Vorliegen der Voraussetzung für eine befristete Niederschlagung sind:
- -
Es ist mindestens ein Pfändungsversuch fehlgeschlagen und die Forderung beträgt mehr als 100 Euro.
- -
Der Aufenthalt der Schuldnerin oder des Schuldners ist vorübergehend nicht zu ermitteln.
Eine unbefristete Niederschlagung ist nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LHO in Verbindung mit VV-LHO Nr. 2.4 zu § 59 LHO und § 261 AO zulässig, wenn die Einziehung aller Wahrscheinlichkeit nach dauernd ohne Erfolg bleiben wird oder die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen. Zu den Kosten zählt neben den Ausgaben, die durch die Einziehung unmittelbar entstehen, auch der anteilige sonstige Verwaltungsaufwand. Die Voraussetzung für eine unbefristete Niederschlagung liegt z. B. vor,
- -
wenn ein Pfändungsversuch in das bewegliche Vermögen fehlgeschlagen ist und die Forderung weniger als 100 Euro beträgt,
- -
wenn mehrfach Pfändungsversuche fehlgeschlagen sind,
- -
wenn über das Vermögen der Schuldnerin oder des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und Restschuldbefreiung erteilt wurde (Ausnahmen: Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungs- und Zwangsgelder sowie Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen),
- -
beim Tod der Schuldnerin oder des Schuldners, wenn der Anspruch auch gegenüber den Erbinnen und Erben dauerhaft nicht durchsetzbar ist.
Bei Prüfung der Voraussetzungen für eine unbefristete Niederschlagung ist ein strenger Maßstab anzulegen.
- 3.3
Die Niederschlagung ist mit einer Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der Rechtsgrundlage und Entscheidungsgründe entsprechend zu verfügen.
Bei befristeten Niederschlagungen sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Anspruchsgegnerin oder des Anspruchsgegners in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen.
Die Verjährung ist rechtzeitig zu unterbrechen. Dies gilt nicht für Nebenforderungen (z. B. für Zinsen oder Vollstreckungskosten) bei unbefristeten Niederschlagungen.
Die Einziehung ist erneut zu versuchen, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie Erfolg haben wird.
Die Vorgänge mit den unbefristeten Niederschlagungen sind 10 Jahre aufzubewahren. Wenn auch dann noch keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin oder des Schuldners vorliegen, können sie ausgesondert werden.
Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist dürfen die Unterlagen von den Ämtern und Betrieben nicht eigenmächtig vernichtet werden. Sie sind komplett dem Stadtarchiv zur Übernahme ins Archiv anzubieten. Das Stadtarchiv entscheidet, welche Unterlagen ins Archiv übernommen werden und welche von den Ämtern vernichtet werden können.
- 3.4
Bei Niederschlagungen von grundsätzlicher Bedeutung sowie in allen von der Delegation nicht betroffenen Fällen ist die Einwilligung des Magistrats einzuholen.
Ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung ist insbesondere anzunehmen, wenn die Entscheidung über den Einzelfall hinaus präjudizielle Bedeutung haben kann (z. B. bei Auswirkungen auf die Beurteilung künftiger Fälle beziehungsweise bei Auswirkungen auf die Haushaltswirtschaft oder die Haushaltsentwicklung).
Darüber hinaus ist für die Niederschlagung von Ansprüchen, die durch strafbare Handlungen von Bediensteten entstanden sind, stets die Einwilligung des Magistrats erforderlich.
Zur Niederschlagung von Einzelansprüchen werden ermächtigt:
Beträge: | | Berechtigte: |
- -
bis zu 10.000 Euro bei befristeten Niederschlagungen undbis zu 5.000 Euro bei unbefristeten Niederschlagungen
|
| alle Amts- und Betriebsleiterinnen und -leiter für ihre Geschäftsbereiche sowie die Leiterin oder der Leiter für Wirt- schaftsangelegenheiten innerhalb des Führungsstabes der Ortspolizeibehörde |
- -
bis zu 25.000 Euro bei befristeten Niederschlagungen undbis zu 10.000 Euro bei unbefristeten Niederschlagungen
|
| zuständige Dezernentin oder zuständiger Dezernent, Betriebsausschussvorsitzende oder Betriebsausschussvorsitzender |
- 4.
- 4.1
Der Erlass ist der endgültige Verzicht auf eine Geldforderung.
- 4.2
Ansprüche dürfen ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles
- a)
oder
- b)
gemäß § 227 AO unbillig wäre
und eine Stundung nicht in Betracht kommt.
Eine besondere Härte ist z. B. dann gegeben, wenn sich die Schuldnerin oder der Schuldner in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befindet und zu erwarten ist, dass die Weiterverfolgung des Anspruchs zu ihrer oder seiner Existenzgefährdung führen würde und weder die Stundung noch die Niederschlagung des geschuldeten Betrages eine Minderung der Notlage der Schuldnerin oder des Schuldners auf Dauer erwarten lassen.
An die Prüfung der Voraussetzungen für einen Erlass nach § 59 LHO müssen besonders strenge Anforderungen gestellt werden. Im Gegensatz zur Voraussetzung für eine Stundung und Niederschlagung muss die besondere Härte dauernd zu bejahen sein und nicht durch eine Verschiebung des Leistungszeitpunktes beseitigt werden können. Die Unbilligkeit kann in der Sache selbst (sachliche Unbilligkeit) oder in den persönlichen Verhältnissen der oder des Steuerpflichtigen (persönliche Unbilligkeit) begründet sein.
Nähere Ausführungen zur Unbilligkeit nach § 227 AO ergeben sich aus den entsprechenden Kommentierungen und der aktuellen Rechtsprechung.
- 4.3
Für einen Erlass ist in der Regel ein Antrag der Anspruchsgegnerin oder des Anspruchsgegners erforderlich.
Über den Erlass ist ein schriftlicher Bescheid zu erteilen, bei privatrechtlichen Ansprüchen sowie bei Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen ist der Erlass vertraglich zu vereinbaren.
Die Erlassvorgänge sind 10 Jahre aufzubewahren. Anschließend sind sie dem Stadtarchiv zur Übernahme ins Archiv anzubieten (vgl. Nr. 3.3 dieser Dienstanweisung).
- 4.4
Bei Erlassen von grundsätzlicher Bedeutung sowie in allen von der Delegation nicht betroffenen Fällen ist die Einwilligung des Magistrats einzuholen.
Ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung ist insbesondere anzunehmen, wenn die Entscheidung über den Einzelfall hinaus präjudizielle Bedeutung haben kann (z. B. bei Auswirkungen auf die Beurteilung künftiger Fälle beziehungsweise bei Auswirkungen auf die Haushaltswirtschaft oder die Haushaltsentwicklung).
Darüber hinaus ist für den Erlass von Ansprüchen, die durch strafbare Handlungen von Bediensteten entstanden sind, stets die Einwilligung des Magistrats erforderlich.
Zum Erlass von Einzelansprüchen werden ermächtigt:
Beträge: | | Berechtigte: |
bis zu 5.000 Euro |
| alle Amts- und Betriebsleiterinnen und -leiter für ihre Geschäftsbereiche sowie
die Leiterin oder der Leiter für Wirt- schaftsangelegenheiten innerhalb des Führungsstabes der Ortspolizeibehörde |
- 5.
Die Stundungen, Niederschlagungen und Erlasse sind in der jeweils aktuellen Finanzsoftware zu erfassen.
- 6.
Nach Abschluss des Haushaltsjahres sind der Stadtkämmerei bis zum 15. Februar des Folgejahres die Übersichten über niedergeschlagene (getrennt nach befristeten und unbefristeten Niederschlagungen) und erlassene Ansprüche aus jedem Fachbereich in digitaler Form zu übersenden. Dazu sind die dieser Dienstanweisung beigefügten Listen in Form von Excel-Dateien zu verwenden, Fehlanzeigen sind erforderlich.
- 7.
Diese Dienstanweisung tritt am 01.01.2024 in Kraft.