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Rahmenrichtlinie gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BremAG SGB IX Eingliederungshilfe
SGB IX (Eingliederungshilferecht)
Thema: Leistungen zur Sozialen Teilhabe – hier: Leistungen zur Beförderung
Einleitung
Der Öffentliche Personennahverkehr in den Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven gewährleistet eine ausreichende Personenbeförderung. Unter besonderen Voraussetzungen können Leistungen zur Beförderung gewährt werden, wenn die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und Schwere einer Behinderung nicht zumutbar, oder aufgrund von technischen Barrieren nicht möglich ist. Im Rahmen der Maßgaben dieser Richtlinie entscheiden die Leistungsberechtigten, welches Angebot von insbesondere Taxiunternehmen oder Dienstleistern sie wahrnehmen möchten.
Leistungen zur Beförderung werden gem. § 113 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) gewährt.
Es ist die Erbringung eines Beitrages aus Einkommen und Vermögen gemäß §§ 135-142 SGB IX zu prüfen.
Die Leistung kann als pauschale Geldleistung nach § 116 Abs. 1 SGB XI i.V.m § 105 Abs. 3 SGB IX erbracht werden. Die Leistung kann auch an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam gem. § 116 Abs. 2 SGB XI erbracht werden.
2. Leistungsberechtigter Personenkreis und Anspruchsvoraussetzungen
Leistungsberechtigt sind Menschen mit Behinderungen, die zum Personenkreis nach § 99 SGB IX in der jeweils gültigen Fassung gehören und denen es aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die zu Teilhabebeeinträchtigungen im Bereich Mobilität führen, auch vorrübergehend nicht zumutbar ist, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu nutzen.
Dazu können z.B. Erkrankungen wie Immunerkrankungen oder Angststörungen gehören.
Auch technische Barrieren (Umweltfaktoren) können zu einer Unzumutbarkeit führen, wenn die Größe oder technische Ausstattung eines Rollstuhls die Nutzung des ÖPNV ausschließen. Liegen solche Barrieren vor, ist von einer Unzumutbarkeit der Nutzung des ÖPNV auszugehen. Eine zusätzliche Prüfung gesundheitlicher Einschränkungen ist nicht notwendig.
Die BSAG teilt für Bremen mit, dass das Grenzmaß der Durchfahrbreite im Fahrzeug 90 cm beträgt. Im ausgefahrenen Zustand beträgt die Nutzfläche des Hubliftes in der Breite 90 cm, in der Tiefe 1200 cm. Die maximale Traglast (Rollstuhl + Person) des Hubliftes beträgt 350 kg (Stand 06/2020).
Bremerhaven Bus teilt mit, dass die Klapprampen der Busse mit bis zu 350 kg belastet werden können und Rollstühle bis maximal 85 cm breite die Rampen nutzen können (Stand 11/2020).
Die Deutsche Bahn informiert unter https://www.bahn.de/p/view/service/barrierefrei/programm_der_db.shtml über die Möglichkeiten der Nutzung.
Die Zumutbarkeit der Nutzung des ÖPNV ist bei der Ermittlung der Teilhabebeeinträchtigungen im Rahmen der Bedarfsermittlung festzustellen. Eine geltend gemachte Unzumutbarkeit der Nutzung des ÖPNV ist in diesem Verfahren zu plausibilisieren. Sind für die Pausibilisierung medizinische Feststellungen notwendig, können diese zur Beurteilung der Zumutbarkeit eingeholt werden.
Die Kausalität zwischen medizinischer Indikation und der Unzumutbarkeit der Nutzung des ÖPNV ist darzulegen.
Die Bedarfsermittlung erfolgt im Rahmen des Gesamt- bzw. Teilhabeplanverfahrens unter Nutzung des Bedarfsermittlungsinstrumentes BENi-Bremen. Die Vorschriften der §§ 117 ff SGB IX sind zu berücksichtigen, der Bedarf ganzheitlich in den Blick zu nehmen und mögliche Leistungen anderer Reha-/Leistungsträger zu prüfen. Dabei sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit den Auswirkungen auf die Körperstrukturen und -funktionen sowie die Beeinträchtigungen der Mobilität zu ermitteln. Die Auswirkungen auf die Teilhabe in den verschiedenen Lebensbereichen sind festzustellen. Vorhandene Förderfaktoren/Ressourcen (z.B. eigene Fähigkeiten, Hilfs- bzw. Transportmittel und/oder Personen im Umfeld) sind zu berücksichtigen.
In der konkreten Zielplanung ist zu beschreiben, welche Teilhabeziele durch Leistungen der Beförderung erreicht werden sollen und welche Fahrten den Zwecken anderer Leistungs-/Rehaträger dienen (siehe auch 4.1).
4. Ziel und Abgrenzung der Leistung
Leistungen zur Beförderung dienen der Sozialen Teilhabe der Menschen mit Behinderungen, denen auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung eine Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.
Die Leistungen dienen der Deckung der Fahrtkosten, die aufgrund dessen entstehen.
Leistungen zur Beförderung dienen ausschließlich der Erfüllung von Zielen der sozialen Teilhabe im Sinne von § 113 Abs. 1 i.V.m. § 76 Abs. 1 SGB IX und sollen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder erleichtern. Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen.
Beispiele wären Fahrten zu Freizeitgruppen oder –veranstaltungen, Ehrenämtern oder privaten Kontakten.
Fahrtkosten, die zum Aufsuchen einer anderen SGB IX Leistung entstehen, sind als Teil der jeweiligen Leistung zu bewilligen und damit keine Leistungen zur Beförderung.
Bedarfslagen, wie Besuchsbeihilfen, die § 115 SGB IX zuzuordnen sind, sind ebenfalls keine Leistungen zur Beförderung.
4.1 Leistungen anderer Reha- oder Kostenträger
Fahrten, die der schulischen Ausbildung oder beruflichen Zwecken dienen, sind von der Förderung durch diese Richtlinie ausgenommen. Dies gilt auch für Fahrten, die der ärztlichen Versorgung oder der sonstigen medizinischen oder therapeutischen Behandlung dienen. Hier gilt die vorrangige Zuständigkeit anderer Leistungsträger, z.B. der Agentur für Arbeit, der Rentenversicherung, der Kranken- oder Pflegekassen oder der gesetzlichen Unfallversicherung.
4.2 Weitere Leistungen zur Sozialen Teilhabe
Die Leistung ist von anderen Leistungen zur Sozialen Teilhabe, die gleichzeitig gewährt werden, abzugrenzen. Werden z.B. Assistenzleistungen nach § 113 II Nr. 2 i.V.m. § 78 SGB IX erbracht oder lebt eine Person in einer besonderen Wohnform, ist zu prüfen, ob der konkrete Mobilitätsbedarf im Rahmen der anderen Leistungen bereits gedeckt wird.
Der Anspruch auf Leistungen zur Beförderung entfällt,
oder
In diesen Fällen ist die Zahlung einzustellen. Bei Nutzung des persönlichen Budgets werden mögliche Überzahlungen hierüber abgerechnet (siehe 8.).
Bei Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, ist die Gesamtplanung und Ausgestaltung der Leistung zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben.
6. Örtliche Zuständigkeit / Geltungsbereich
Es gelten die Regeln zur örtlichen Zuständigeit gemäß § 98 SGB IX.
6.2 Geltungsbereich für Leistungsberechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Land Bremen
Die Leistung muss innerhalb der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven in Anspruch genommen werden. Überschreitungen der Stadtgrenzen um bis zu 10 km sind zulässig. Es ist jeweils die kürzeste Fahrtstrecke zu wählen.
Für Leistungsberechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb Bremens bei Bremer Kostenträgerschaft, sind die Vorgaben des vor Ort zuständigen Eingliederungshilfeträgers maßgeblich.
Der Leistungsumfang errechnet sich aus den Fahrtzielen, der Anzahl der Fahrten und den Entfernungen.
Beispiel: Die Person benötigt Leistungen zur Beförderung für zwei Fahrten die Woche vom Wohnort zu einer Freizeitgruppe an der Adresse X, zzgl. einmal monatlich für eine Fahrt vom Wohnort für einen Besuch zur Wohnadresse der Eltern.
Es wird ein individueller Geldbetrag errechnet oder ermittelt.
Zur Berechnung kann ein Taxikostenrechner verwendet werden. Dieser muss auf der Taxentarifverordnung der Stadtgemeinde Bremen bzw. der Tarifverordnung Bremerhavens basieren. Da die Kosten aufgrund von Standzeiten und Verkehrslage variabel sind, ist der ermittelte Betrag auf die nächsten 10 € aufzurunden. Wird ein anderer Transportdienstleister zur Beförderung von Menschen mit Behinderung genutzt, können dessen, z.B. mit anderen Rehabilitationsträgern vereinbart, Tarife herangezogen werden.
Lässt sich der Leistungsumfang nicht auf diese Art und Weise errechnen, kann der Umfang in Absprache mit den Leistungsberechtigten verabredet werden.
Die Leistung kann als Persönliches Budget, im Rahmen von Einzelabrechnungen nach Vorlage von Quittungen und per Direktabrechnung mit einem Beförderungsdienstleister bewilligt, bzw. abgerechnet werden.
8.1. Leistung als Persönliches Budget
Mit Zustimmung des Antragsstellenden ist die Leistung in der ermittelten Höhe als persönliches Budget zu gewähren. Die Bewilligung erfolgt in der Regel für ein Jahr.
In die Zielvereinbarung für das persönliche Budget wird aufgenommen, welche Fahrten gefördert werden, welche Nachweise über die getätigten Fahrten einzureichen sind und, dass verbliebene Gelder mit zukünftigen Zahlungen verrechnet werden bzw. zurück gefordert werden, wenn keine Weiterbewilligung angestrebt wird. Spätestens zu einer Weiterbewilligung der Leistung wird geprüft, ob Gelder ungenutzt blieben.
In diesem Fall kann eine neue Bedarfsfeststellung zu einem geringeren Bedarf kommen und der Betrag angepasst werden.
Wird ein höherer Bedarf festgestellt, wird die neue Leistungshöhe bei Neubewilligung berücksichtigt.
Teilt die leistungsberechtigte Person eine Veränderung mit, wird die Gesamtplanung und Feststellung des Bedarfes überprüft, eine neue Zielvereinbarung abgeschlossen und die neue Leistungshöhe per Bescheid bewilligt.
8.2. Leistung nach Einzelabrechnung
Auf Wunsch können statt eines Persönlichen Budgets Einzelabrechnungen nach Einreichung von Quittungen durchgeführt werden (zum Beispiel bei wenigen oder unregelmäßigen Fahrten). Dann wird im Bewilligungsbescheid festgestellt, dass die Leistungen dem Grunde nach anerkannt und nach Einreichung von Quittungen abgerechnet werden. Der leistungsberechtigte Mensch geht in Vorleistung und bekommt die Kosten erstattet.
Die Auszahlung erfolgt erst nach Vorlage der Nachweise, bzw. Quittungen. Diese Zahlweise und die im Einzelfall zu konkretisierenden Nachweise sind im Bewilligungsbescheid zu beschreiben.
Alternativ kann im Rahmen des Gesamtplanverfahrens auch verabredet werden, dass ein Beförderungsdienst beauftragt wird, der dann direkt mit dem Kostenträger abrechnet. Dann ist der leistungsberechtigte Mensch nicht zu einer Vorleistung der Kosten verpflichtet.
Diese Rahmenrichtlinie tritt am 01.07.2022 in Kraft
Zu diesem Zeitpunkt tritt die Rahmenrichtlinie vom 01.04.2010 und die Verwaltungsanweisung zur Rahmenrichtlinie Sonderfahrdienst vom 01.01.2017 außer Kraft.