|
|
Rundschreiben der Senatorin für Finanzen Nr. 09/2017 -
Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und anderer Gesetze
Verteiler: Alle Dienststellen ohne Schulen
Mit Wirkung zum 1. April 2017 tritt die Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft. Das entsprechende Änderungsgesetz wurde vom Deutschen Bundestag am 21. Oktober 2016 beschlossen und ist im Bundesgesetzblatt vom 28. Februar 2017 veröffentlicht worden.
Mit Gesetzesänderung vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 642) wurde die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit in nationales Recht umgesetzt. Hierbei wurden auch die Voraussetzungen für die Erlaubnispflicht der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung angepasst. Diese knüpfte fortan nicht mehr an eine gewerbsmäßige, sondern an eine wirtschaftliche Tätigkeit an. Der kommunale Bereich war durch diese Gesetzesnovellierung dergestalt betroffen, dass seitdem die Abordnung (§ 4 Abs. 1 TVöD / TV-L), die Zuweisung (§ 4 Abs. 2 TVöD / TV-L) und die Personalgestellung (§ 4 Abs. 3 TVöD / TV-L) erlaubnispflichtig geworden sind. Gleiches galt für die Fälle der interkommunalen Zusammenarbeit, in deren Rahmen Beschäftigte einer Kommune Aufgaben einer anderen Kommune mit wahrnehmen. Grundsätzlich sind diese Konstellation deshalb geeignet, als Arbeitnehmerüberlassung bewertet zu werden, da in diesen Fällen der Arbeitnehmer verpflichtet sein kann, seine Arbeitsleistung bei einem anderen Arbeitgeber zu erbringen und der andere Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die Tätigkeit Weisungen erteilt.
Durch die Ausweitung der Erlaubnispflicht wurde insbesondere die von allen politischen Kräften geforderte und von den Kommunen gewollte und vielfach praktizierte interkommunale Zusammenarbeit nachhaltig negativ berührt. Sowohl die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), als auch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) haben sehr zeitnah nach dieser Gesetzesänderung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf die weitreichenden, negativen Auswirkungen der ausgeweiteten Erlaubnispflichtigkeit für kommunale Arbeitgeber hingewiesen und auf eine Korrektur gedrängt.
Diese Initiativen waren nunmehr erfolgreich und haben u.a. zu den Änderungen im AÜG geführt, die wir nachfolgend vorstellen:
Nach dem neuen § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG findet das AÜG keine Anwendung zwischen Arbeitgebern, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu dem anderen Arbeitgeber verlagert werden und auf Grund eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes
Damit werden Personalgestellungen gem. § 4 Abs. 3 TVöD/TV-L erlaubnisfrei, da sie entsprechend der neuen gesetzlichen Regelungen aufgrund eines Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes erfolgen. Dies gilt ungeachtet der Rechtsform der Arbeitgeber.
In dem neuen § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG ist bestimmt, dass das AÜG über die Personalgestellung hinaus keine Anwendung zwischen Arbeitgebern findet, wenn diese juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anwenden. Abordnungen gem. § 4 Abs. 1 TVöD/TV-L, Zuweisungen gem. § 4 Abs. 2 TVöD/TV-L und anderweitige Formen der interkommunalen Zusammenarbeit werden damit, soweit sowohl der entleihende Arbeitgeber wie der andere Arbeitgeber juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, erlaubnisfrei.
Der Ausnahmetatbestand greift allerdings nicht, soweit privatrechtlich organisierte Arbeitgeber betroffen sind, auch wenn einer der Arbeitgeber (Ver- oder Entleiher) eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Für sie finden – unabhängig davon, ob sie den TVöD oder den TV-L anwenden – die Regelungen des AÜG Anwendung.
Unabhängig davon findet das AÜG keine Anwendung, wenn Personalgestellungen gesetzlich ausdrücklich vorgesehen sind und Arbeitnehmer auf Grund dieser spezialgesetzlichen Regelung von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts einer anderen juristischen Person zur Verfügung gestellt bzw. zugewiesen werden. Als typischer Anwendungsfall hierfür wird u.a. die Zuweisung von Beschäftigten zu gemeinsamen Einrichtungen nach § 44g SGB II genannt (BR-Drucksache 294/16, Seite 18).
Aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG bislang vorgesehen Tatbestandsmerkmal der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung hat das BAG geschlossen, dass dauerhafte Personalgestellungen unzulässig sind. Das BAG hat es allerdings abgelehnt, Rechtsfolgen an solch eine nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu knüpfen und stattdessen darauf hingewiesen, dass dies in den ausschließlichen Kompetenzbereich des Gesetzgebers falle (Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 AZR 51/13 –), jedenfalls soweit der Arbeitgeber die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt.
Der Gesetzgeber hat in Kenntnis dieser Rechtsprechung bestimmt, dass das AÜG auf Arbeitnehmerüberlassungen nach § 1 Abs. 3 Nr. 2b und 2c AÜG keine Anwendung findet und die genannten Überlassungen damit erlaubnisfrei sind. Die Fälle von Arbeitnehmerüberlassungen, die bereits vor dem 1. April 2017 begründetet worden sind, haben dabei keine Erwähnung gefunden. Dies kann nach unserer Auffassung nur dahingehend ausgelegt werden, dass Arbeitnehmerüberlassungen nach § 1 Abs. 3 Nr. 2b und 2c AÜG ab 1. April 2017 auch dann erlaubnisfrei sind, wenn sie zuvor begründet wurden.
Bei einer erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung darf der Verleiher künftig denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen und der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen, § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG. Nach § 19 Abs. 2 AÜG werden dabei Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nicht berücksichtigt. Unterbrechungen zwischen zwei Überlassungen zu demselben Entleiher werden berücksichtigt, wenn die Unterbrechungen drei Monate nicht übersteigen, § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG. In diesem Fall werden die vorausgehenden Überlassungen bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer mitgerechnet. Dies gilt auch, wenn während der Unterbrechung der Leiharbeitnehmer bei anderen Arbeitgebern tätig war.
Von der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG kann durch die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche durch Tarifvertrag oder durch eine auf Grund eines Tarifvertrages von den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche getroffenen Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden, § 1 Abs. 1b Sätze 3 und 5 AÜG. Weder der TVöD noch der TV-L enthalten eine Regelung oder Öffnungsklausel für die Betriebsparteien für eine 18 Monate überschreitende Höchstüberlassungsdauer.
Arbeitgebern, die gegen die Regelungen der Überlassungshöchstdauer verstoßen, ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG die Erlaubnis oder ihre Verlängerung zu versagen. Darüber hinaus wird bei einem Verstoß gegen die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG ein Ordnungswidrigkeitentatbestand begründet. Als weitere Rechtsfolge bestimmt § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG, das die Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam sind. Folge ist, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer fingiert wird, § 10 Abs. 1 AÜG. Eine Ausnahme hiervon besteht dann, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalte. Eine vor Beginn dieser Frist abgegebene Erklärung ist gemäß § 9 Abs. 3 AÜG unwirksam.
Überdies sieht das Gesetz in § 9 Abs. 2 AÜG zur Verhinderung eventueller Missbräuche ein besonderes Verfahren vor, das der Leiharbeitnehmer für eine wirksame Festhaltenserklärung einzuhalten hat, u.a. muss er diese vor ihrer Abgabe persönlich bei einer Agentur für Arbeit vorlegen. Wird die Überlassung trotz der wirksamen Festhaltenserklärung weiterhin unter Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Nr. 1, 1a oder 1b AÜG fortgesetzt, kommt es zum Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Entleiher.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeits-bedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Zukünftig kann dem Leiharbeitnehmer für die ersten neun Monate einer Überlassung durch einen abweichenden Tarifvertrag nach § 8 Abs. 2 AÜG ein hiervon abweichendes Entgelt gewährt werden (§ 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG).
Nach § 19 Abs. 2 AÜG werden Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 bei der Berechnung der Überlassungszeiten nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG nicht berücksichtigt. Längere Abweichungen durch Tarifvertrag sollen künftig nur möglich sein, wenn sichergestellt wird, dass die Leiharbeitnehmer innerhalb von 15 Einsatzmonaten stufenweise das Arbeitsentgelt der Stammbelegschaft erreichen, das von den Tarifvertragsparteien als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt wird. Nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen muss eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgen (§ 8 Abs. 4 Satz 2 AÜG).
Der Einsatz von Leiharbeitnehmern während eines rechtmäßigen Streiks ist zukünftig nach § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG unzulässig. Dies gilt dann nicht, wenn der Entleiher sicherstellt, dass die Leiharbeitnehmer keine Tätigkeiten übernehmen, die bisher von Arbeitnehmern erledigt wurden, die sich im Arbeitskampf befinden oder ihrerseits Tätigkeiten von Arbeitnehmern übernommen haben, die sich im Arbeitskampf befinden (§ 11 Abs. 5 Satz 2 AÜG). In den Fällen eines Arbeitskampfes hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht, die Arbeitsleistung zu verweigern, hinzuweisen (§ 11 Abs. 5 Satz 4 AÜG).
Keine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG liegt vor, wenn der Fremdpersonaleinsatz auf einem Dienst- oder Werkvertrag erfolgt. Um dem vielfach diskutierten Missbrauch von Dienst- und Werkverträgen entgegenzuwirken, sieht das AÜG folgende Regelungen vor.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG ist die Überlassung des Arbeitnehmers ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen. Zudem ist vor der Überlassung die Person des Leiharbeitnehmers zu konkretisieren, § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG. Ergänzt werden die genannten Offenlegungspflichten durch eine Pflicht des Verleihers, den Leiharbeitnehmer vor einer Überlassung jeweils darüber zu informieren, dass er bei dem Entleiher als Leiharbeitnehmer tätig wird, § 11 Abs. 2 Satz 4 AÜG.
Verstoßen Verleiher und Entleiher gegen diese Offenlegungspflichten, begründet dies nach § 16 Abs. 1 Nr. 1c und 1 d AÜG nicht nur einen Ordnungswidrigkeitentatbestand, sondern die Arbeitsverträge zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer werden unwirksam, § 9 Abs. 1 Nr. 1a 1. Halbsatz AÜG, mit der Folge, dass stattdessen ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert wird, § 10 Abs. 1 AÜG. Keine Unwirksamkeit der genannten Verträge tritt ein, wenn der Leiharbeitnehmer bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher schriftlich erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält, § 9 Abs. 1 Nr. 1a 2 Halbsatz AÜG.
Die gleichen Rechtsfolgen ergeben sich für Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat, § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG. Damit werden zukünftig ein vermeintlicher Werkunternehmer und sein Auftraggeber auch bei nachträglicher Vorlage einer Verleihererlaubnis nicht besser gestellt, als derjenige, der ohne die erforderliche Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betreibt.
Zur Klarstellung, dass Ketten-, Weiter- und Zwischenüberlassungen zukünftig unzulässig sind, ist in § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG geregelt, dass Arbeitnehmer nur dann zulässig als Leiharbeitnehmer überlassen und tätig werden können, wenn zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht.
Ist dies nicht der Fall, wird ein Ordnungswidrigkeitentatbestand gem. § 16 Abs. 1 Nr.1b AÜG begründet. Zusätzlich sieht § 10a AÜG eine entsprechende Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 1b AÜG sowie von § 10 AÜG vor, wenn ein Leiharbeitnehmer durch eine andere Person als den Arbeitgeber überlassen wird und diese Person entweder nicht über die notwendige Erlaubnis verfügt, die Überlassung in dem Vertrag zwischen dieser Person und dem Entleiher nicht vor Überlassung und Tätigkeitwerden des Leiharbeitnehmers als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet wird, die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert wird oder die Überlassungshöchstdauer überschritten wird.
Um missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes zu verhindern und die Rechtssicherheit bei Nutzung von Werkverträgen zu erhöhen, ist zusätzlich in einem neuen § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung von abhängiger zu selbständiger Tätigkeit normiert worden.
Was die Tarifierung einer über 18 Monate hinausgehenden Höchstüberlassungsdauer angeht, haben die Gewerkschaften sich noch nicht abschließend erklärt, aber den Eindruck vermittelt, dass sie hierfür keinen Bedarf sehen.
Die Senatorin für Finanzen
Referat 31
Schillerstraße 1
28195 Bremen
E-Mail: tarifrecht@finanzen.bremen.de