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Verwaltungsanweisung zu § 21 SGB XII
Sonderregelungen für Leistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch
Gesetzestext
Inkrafttreten
§ 21 Sonderregelung für Leistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch
1Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt.
2Abweichend von Satz 1 können Personen, die nicht hilfebedürftig nach § 9 des Zweiten Buches sind, Leistungen nach § 36 erhalten.
3Bestehen über die Zuständigkeit zwischen den beteiligten Leistungsträgern unterschiedliche Auffassungen, so ist der zuständige Träger der Sozialhilfe für die Leistungsberechtigung nach dem Dritten oder Vierten Kapitel an die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Absatz 2 Satz 2 des Sechsten Buches und nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens an die Entscheidung der Agentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit nach § 44a Absatz 1 des Zweiten Buches gebunden.
Diese Vorschrift dient der Abgrenzung der strukturell und inhaltlich vergleichbaren Leistungssysteme des SGB XII einerseits und des SGB II andererseits.
Der Inhalt der Norm korrespondiert mit § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 4 und § 44a SGB II.
Der Leistungsausschluss betrifft Personen, die als Erwerbsfähige dem Grunde nach Leistungen nach dem SGB II beanspruchen können. Dies gilt auch für deren Angehörige.
Ein tatsächlicher Leistungsbezug nach dortigen Vorschriften ist nicht Voraussetzung.
Der Ausschluss von Leistungen bezieht sich ausschließlich auf die Leistungen nach dem 3. Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) und gilt auch für die Angehörigen, es sei denn, diese haben einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel (vgl. § 5 Abs. 2 SGB II).
In der Rechtsprechung des BSG sowie in den einschlägigen Kommentierungen wird für die Anspruchsberechtigung nach dem SGB II „dem Grunde nach“ explizit an den Begriff „Erwerbsfähigkeit“ angeknüpft. Ausschlaggebend ist grundsätzlich, ob der Hilfesuchende nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Somit sind folgende Personenkreise von der Berechtigung auf Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen:
Das Bundessozialgericht hat im Jahr 2010 mit diversen Urteilen (z.B. Urteil vom 23.03.2010, B 8 SO 17/09 R und Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 51/09 R) konkrete Festlegungen hinsichtlich der Zuordnung zu einer Bedarfsgemeinschaft getroffen. Dies betrifft unverheiratete Kinder im elterlichen Haushalt, die das 25. Lebensjahr noch nicht erreicht haben.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB II gehören Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben, zur BG (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II gehören die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und der Partner/die Partnerin des Elternteils zur BG.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II gehört der Partner/die Partnerin der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person zur BG.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehören unter 25-jährige, unverheiratete Kinder, die im Haushalt ihrer Eltern leben, zu deren BG.
Dabei ist es unerheblich, ob für die Mitglieder dieser BG dem Grunde nach Ansprüche nach dem SGB II oder SGB XII bestehen. So bildet ein Kind eine eigene BG im Sinne des SGB II, wenn ein Elternteil/ die Eltern erwerbsunfähig und dem Personenkreis nach dem SGB XII zuzuordnen ist/sind, sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 SGB II erfüllt werden.
Die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft ist nicht abhängig davon, ob die einbezogene Person selbst leistungsberechtigt nach dem SGB II ist.
Sobald in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB XII ein Kind das 15. Lebensjahr vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist, erlischt der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII und es sind vorrangige SGB II-Leistungen zu beanspruchen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob durch das Begründen einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II neben dem 15-jährigen Kind auch andere Familienangehörige – außer Familienangehörige, die nach dem 4. Kapitel SGB XII leistungsberechtigt sind- in das Leistungssystem des SGB II zu überführen sind, weil die sonstigen Voraussetzungen des § 7 Absatz 3, Ziffer 1 bis 4 SGB II erfüllt werden.
Nachfolgend werden mögliche Fallkonstellationen aufgeführt:
Beispiel 1:
Eine alleinerziehende Mutter ist auf Dauer erwerbsunfähig. Im Haushalt leben 2 Kinder, 10 und 15 Jahre alt.
Beispiel 2:
Im Haushalt der Eltern lebt eine 19-jährige Tochter, die studiert. Der Vater hat die Regelaltersgrenze erreicht und die Mutter ist voll erwerbsunfähig auf Zeit.
Beispiel 3:
Aufgrund einer Duldung erhalten die Eltern Leistungen gemäß § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Im Haushalt leben 4 Kinder (8, 10, 12 und 15 Jahre alt). Die Kinder verfügen über eine befristete Aufenthaltserlaubnis.
Diese Regelung stellt einen Sonderfall dar da es vorkommen kann, dass sich weder das SGB XII noch das SGB II für zuständig erklären.
Beispiel:
Die erwerbstätigen Eltern beantragen für ihr volljähriges behindertes Kind Leistungen nach dem SGB XII. Der SGB XII-Träger verweist auf die Ansprüche nach dem SGB II, da die Erwerbsunfähigkeit durch den Rententräger bisher noch nicht festgestellt wurde und grundsätzliche Ansprüche nach dem SGB II im Rahmen der BG vorliegen (Ausschusstatbestand des § 21 SGB XII). Als erwerbsfähige leistungsberechtigte Person gilt man, wenn man die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt hat. Hier ist der Begriff legal definiert.
Die behinderte unter 25-jährige Person zählt zur Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern, wobei die Bedarfsgemeinschaft durch das hohe Einkommen nicht hilfebedürftig wird und nach dem SGB II somit keine Leistungen erhalten kann. Eine Überprüfung der Erwerbsfähigkeit scheidet durch den SGB II-Träger somit aus.
Eine direkte Inanspruchnahme der Deutschen Rentenversicherung zur Begutachtung hat diese ausgeschlossen.
Unter Einbeziehung des BMAS wird der Umgang wie folgt geregelt:
Die Regelung findet auf Personen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind, keine Anwendung.
In der Regel werden Leistungsbeziehende, die eine Altersrente beziehen in das 4. Kapitel des SGB XII überführt, weil sie das Regelrentenalter erreicht haben.
Bei Bewilligung einer (vorgezogenen) Altersrente vor Erreichen der gesetzlichen Altersrente (vgl. § 41 SGB XII) ist eine Zuordnung zum 4. Kapitel jedoch ausgeschlossen.
Es sind die Anspruchsvoraussetzungen nach dem 3. Kapitel zu prüfen.
Dies gilt auch, wenn die rentenbeziehende Person in einer Bedarfsgemeinschaft mit einer hilfebedürftigen Person mit Ansprüchen nach dem SGB II lebt. Die Gewährung von Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II kommt hier nicht in Betracht, denn gemäß § 7 Abs. 4 SGB II gilt ein Ausschlusstatbestand für Personen, die eine Rente wegen Alters oder eine Knappschaftsausgleichsleistung beziehen (s. auch BSG v. 16.05.2012, Az. B 4 AS 105/11 R). Für das BSG ist der entscheidende Faktor, dass Personen mit einer Altersrente endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.
Beispiel 1:
Die ledige leistungsberechtigte Person ist 63 Jahre alt und bezieht eine vorgezogene Altersrente, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht ausreicht. Da Ansprüche auf die gesetzliche Altersrente erst ab Vollendung des Regelrentenalters bestehen, ist eine Zuordnung zum 4. Kapitel SGB XII nicht möglich. Hier sind die Leistungsansprüche nach dem 3. Kapitel zu prüfen.
Beispiel 2:
Eheleute beziehen laufende Leistungen nach dem SGB II. Die befristet voll erwerbsgeminderte Ehefrau ist 63 Jahre alt und konnte Ansprüche auf eine vorgezogene Altersrente durchsetzen. Der Ehemann ist 55 Jahre alt.
In der Regel besteht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II für einen nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten, der mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, Anspruch auf Bürgergeld.
Durch die Bewilligung der vorgezogenen Altersrente fällt die Ehefrau nunmehr unter den Ausschlusstatbestand gemäß § 7 Abs. 4 SGB II, der einen Leistungsanspruch nach dem SGB II bei einem Rentenbezug wegen Alters verneint. Damit ist ein Bezug von Bürgergeld nach dem SGB II ausgeschlossen und bei der Überführung in das Leistungssystem des SGB XII sind die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem 3. Kapitel zu prüfen.
Satz 2 stellt für den praxisrelevanten Fall, dass Bedarfe zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage (Mietschulden sowie Energie- und/oder Wasserschulden) nach § 36 Abs. 1 SGB XII beantragt werden, eine Ausnahme des Satzes 1 dar. Er gilt für Personen, die zwar dem Grunde nach leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sind, tatsächlich aber keine Leistungen nach dem SGB II erhalten, da der laufende Bedarf durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen regelmäßig gedeckt ist.
Bestehen über die Zuständigkeit zwischen den beteiligten Leistungsträgern unterschiedliche Auffassungen, so ist der zuständige Träger der Sozialhilfe für die Leistungsberechtigung nach dem Dritten oder Vierten Kapitel an die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Absatz 2 Satz 2 des Sechsten Buches und nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens an die Entscheidung der Agentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit nach § 44a Absatz 1 des Zweiten Buches gebunden.
Die Verwaltungsvorschrift tritt mit Wirkung zum 15.02.2024 in Kraft und setzt die bisherige Verwaltungsanweisung zu § 21 SGB XII außer Kraft.